Schlagwort: Ulf Ehninger

Formel 1 „just for fun“

Ulf Ehninger aus Tübingen in Deutschland holte sich 2021 überraschend den Titel in der BOSS GP OPEN Class. Wir haben mit dem Titelverteidiger vor dem Saisonstart in Hockenheim (6.–8. Mai 2022) über die Besonderheit, einen Formel-1-Wagen einzusetzen, gesprochen.

Blicken wir zurück auf 2021: Was sind die stärksten Erinnerungen an dein Meisterstück?

ULF EHNINGER: „Wahrscheinlich, dass wir es überhaupt geschafft haben! Bis Monza war uns das gar nicht bewusst, erst als Thomas Hummer von Pirelli bei der Siegerehrung zu mir gesagt hat, dass wir eine Chance haben, haben wir darüber nachgedacht. Zuvor wollten wir das völlig entspannt angehen – just for fun. Ich habe gelernt, wenn ich Druck rausnehme, klappt es besser. Ingo Gerstl hat mir geholfen, das Setup des Autos zu verstehen. Ich habe mich im Auto lange nicht wohlgefühlt, jetzt spüre ich das Auto und dessen Grenzbereich wesentlich besser.“

Was verbindet dich mit dem Benetton B197?

EHNINGER: „Das Auto ist toll, ich stehe oft schmachtend davor. Eigentlich ist der Wagen viel zu schade zum Fahren. Es ist wahrscheinlich auch das Formel-1-Auto mit den meisten Kilometern weltweit!“

Was muss man können, um so ein Auto zu bewegen?

EHNINGER: „James Hunt sagte einmal, ‚big balls‘. Bevor ich in so ein Auto einsteige, habe ich ganz schön Kopfkino. Wenn man drinsitzt, ist es allerdings weg. Aber es bleibt eine Riesen-Herausforderung, damit zu fahren. Nach dem ersten Freien Training bin ich komplett durch den Wind – und mit vielen Eindrücken konfrontiert – das kostet brutal viel Überwindung. Gerstl drückt ab, ich muss mich herantasten. Dabei hat mir auch Ingenieur Dario Pergolini mit seinen Analysetools viel geholfen. Ich kann das Gefühl, einen solchen Rennwagen zu fahren, gar nicht beschreiben. An die Beschleunigung gewöhnt man sich am schnellsten, an die Kurvengeschwindigkeiten werde ich mich aber nie gewöhnen können.“

Wie kam es überhaupt dazu? Ein Formel-1-Auto kauft man ja nicht im Supermarkt …

„Ich bin längere Zeit Langstreckenrennen gefahren. Der Traum war aber immer, einen Formel-1-Rennwagen zu fahren, was ich mir zu meinem 50. Geburtstag erfüllen wollte. Dass ich heute selber eines besitze und einsetze und schon fast 3.000 Kilometer damit gefahren bin – damit geht ein Traum in Erfüllung. Im Rahmen des Jim Clark Revivals am Hockenheimring 2018 habe ich einen Sportwagen eingesetzt. Uns ist die Antriebswelle gebrochen. Nach der Reparatur liefen wir spät abends durchs Fahrerlager. Als wir an der Box von Phil Stratford vorbeikamen, stand auf einem Aufkleber ‚Sale‘ drauf. Eher spaßeshalber haben wir dann die Nummer angerufen und landeten bei Kevin Mansell und Phil Stratford, die uns schon am nächsten Tag über das Auto informiert haben. Es ist dann noch einige Zeit vergangen, da das Auto in den USA stand, bis wir loslegen konnten. Unser Ziel ist aber immer gewesen, das Auto selber einzusetzen und nicht von einem anderen Team betreuen zu lassen.“

Das klingt gut, aber nicht einfach.

EHNINGER: „Ich schraube viel selbst und fahre auch selber mit dem Lkw. Sehr ermüdend kann die Suche nach Teilen sein, da kann es schon einmal drei Monate dauern, bis man etwas findet. Im Winter wird alles geprüft – jeder Dichtring, das komplette Chassis auf mögliche Risse usw., die Ersatzteile muss man nachbauen lassen. Gerade arbeiten wir an einer Lösung, die kurzen Laufzeiten des Getriebes zu erhöhen. Nach dem Rennen am Red Bull Ring (3.–5. Juni 2022, Anm.) kommt der Motor dann zur Revision.“

Warum kannst du trotzdem nicht genug davon bekommen?

EHNINGER: „Ich finde es schön, ein Rennwochenende gemeinsam mit anderen zu verbringen. Ich bin supergut in die BOSS GP aufgenommen worden. Es hieß immer, da fahren nur die reichen ‚Schnösel‘ – aber so war es nicht. Wir genießen es also, so ein Wochenende als Gemeinschaft zu verbringen anstatt irgendwo anonym an Track Days teilzunehmen. Letztes Jahr haben uns die Italiener zum Essen eingeladen, und obwohl wir kein Italienisch konnten und sie kein Deutsch, haben wir uns köstlich einen Abend lang unterhalten.“

Dein Team ESBA Racing kommt ja ursprünglich vom Langstrecken-Rennsport, wie seid ihr aufgestellt?

EHNINGER: „ESBA gab’s wie du richtig sagst schon vor dem Benetton, ungefähr seit 2016. Dafür hatten wir uns auch schon einen Lkw zugelegt, in dem wir auch heute noch an den Rennstrecken übernachten. Seit Anfang an mit dabei ist Jochen, mit dem ich schon über 30 Jahre befreundet bin. Wenn ich fahre, ist er mit. Wenn er fährt, bin ich dabei. Jens habe ich über einen Freund kennengelernt. Der hat sich bei uns zu einem wertvollen Teammitglied entwickelt und ist jetzt auch bei Glickenhaus engagiert. Seine ganze Leidenschaft gilt dem Benetton, ohne ihn, würde das gar nicht laufen. Dazu kommt Dario, der die Professionalität ins Team gebracht hat.“

Kannst du uns deine bisherige Rennkarriere kurz zusammenfassen?

EHNINGER: „Karriere ist vielleicht ein wenig übertrieben (lacht). Vor mittlerweile über 20 Jahren wollte ich unbedingt auf der Nordschleife fahren. Zusammen mit Freunden haben wir einen BMW E36 M3 aufgebaut – ohne viel Zeit und Geld. Später bin ich dann auch mit einem Audi und einem Porsche gefahren – sogar zweimal die 24 Stunden am Nürburgring. Die Nordschleife ist als Strecke sicherlich das Größte, was es gibt.

An der BOSS GP Racing Series gefällt mir , wie die Leute ticken, dass man zusammen Spaß haben kann und die Politik im Hintergrund steht. Mit Pirelli hat man einen starken Partner und ist sicherlich auf einem guten Weg. Ich würde mir wünschen, dass für den Nachwuchs noch mehr getan wird.“

Was sind die Pläne für die neue Saison?

EHNINGER: „Neben einigen Rennen in der BOSS GP werde ich auch versuchen, ein anderes historisches Rennauto einige Male einsetzen zu können, nämlich einen V8-Star-Boliden (deutsche Silhouetten-Formel aus den frühen 2000er-Jahren, Anm.) – das Orginial-Hasseröder-Auto von Harald Grohs.“

Fotos: Angelo Poletto/BOSS GP

Vorschau & Guide Imola

BOSS GP sorgt am 11./12. Juli fürs Motorsport-Comeback in Italien.

Der Saisonstart zur 26. Rennsaison von BOSS GP erfolgt mit dem Forza Fanatec dieses Wochenende in Imola, wo bereits 15 Wochen später auch das Saisonfinale steigen soll. Die BOSS GP-Rennen sind das erste große Motorsportereignis in Italien nach dem Lockdown. Die Veranstaltung ist ebenso wie die Rennen in Spa Anfang August (1./2.) ein Zwei-Tages-Event, das ohne Zuschauer vor Ort stattfindet.

In Imola sind zahlreiche neue Fahrer und Autos in Europas schnellster Rennserie am Start. Alle Augen sind sicherlich auf den 22-jährigen Lokalmatador Riccardo Ponzio gerichtet, der mit einem Formel-1-Wagen von Jaguar (aus 2002) sein Debüt gibt. Mit Ulf Ehninger (Benetton B197) und OPEN-Meister Ingo Gerstl (Toro Rosso STR1) sind zwei weitere Formel-1-Wagen mit dabei.

Weitere Debütanten gibt es in der FORMULA-Klasse mit dem österreichischen Berg-Spezialisten Christian Ferstl, Ex-Tourenwagen-Ass Roman Hoffmann (beide GP2) und einem weiteren Österreicher: Michael Aberer (WSbR). Ebenso zum ersten Mal in der BOSS GP dabei sind der Este Bruno Jarach und der Italiener Roberto Vanni, der im einzigen Formel 3000 an den Start geht.

Sie nehmen es u.a. mit Champion Marco Ghiotto (Scuderia Palladio), Luca Martucci (MM International) und Florian Schnitzenbaumer (Top Speed) auf. Gespannt kann man auch auf das erstmalige Antreten von Salvatore De Plano im A1GP-Lola von Coloni sein.

Premiere feiert auch der neue Trockenreifen von Pirelli mit der Farbgebung violett. Dieser Reifen soll geübten Fahrern schnellere Rundenzeiten ermöglichen und weniger geübten den Umgang mit dem „schwarzen Gold“ erleichtern.

Wann sind die BOSS GP-Renner auf der Strecke?

Samstag, 11. Juli 2020:
10:35–11:05 Freies Training 1 (30 Minuten)
12:50–13:20 Freies Training 2 (30 Minuten)
16:10–16:40 Qualifying (Q1 20 Minuten, Q2 8 Minuten)

Sonntag, 12. Juli 2020:
11:15–11:35 Rennen 1 (20 Minuten)
16:15–16:40 Rennen 2 (25 Minuten)

Wo kann man die Rennen online verfolgen?

Im Gruppo-Peroni-Livestream: www.youtube.com/user/PeroniRace
Livetiming und Resultate auf www.autodromoimola.it/live-timing-imola
Alle Ergebnisse auf bossgp.com
Topaktuell informiert mit Instagram @bossgpofficial und Facebook @bossgpofficial

Report: Rennen 1 Spielberg

Debütsieg für Alessandro Bracalente beim Pirelli Masters.

Alessandro Bracalente (ITA, Speed Center) heißt der strahlende Sieger beim ersten von zwei Rennen an diesem Rennwochenende. Damit gewinnt der Rookie bei seinem erst dritten BOSS GP-Start zum ersten Mal einen BOSS Grand Prix und übernimmt damit auch die Tabellenführung.

Bracalente war von Beginn an souverän unterwegs. Als erster Verfolger des lange Zeit führenden Phil Stratford (USA, Penn Elcom) schlug seine Stunde als dieser mit Getriebeproblemen langsamer wurde.

Stratford kämpfte sich noch als Gesamt-Fünfter ins Ziel und damit als Sieger der OPEN-Klasse. Mit aufs OPEN-Podest durfte zum allerersten Mal Ulf Ehninger (DEU, ESBA Racing). Für Ehninger war es das erste BOSS GP-Rennen. Mit Gesamtrang 9 war er mittendrin im Geschehen und sichtlich glücklich über seinen Erfolg. Damit war es ein Doppelsieg für die 1997er-Benettons.

Erster BOSS GP-Sieg für Alessandro Bracalente

OPEN-Tabellenführer Ingo Gerstl (AUT, Top Speed) startete vom letzten Platz aus eine fulminante Aufholjagd. Doch auch die schnellste Rennrunde half am Ende nichts: Nach acht Runden und just als Gerstl auf den bis dato führenden Stratford auflief, war sein Rennen mit einem technischen Problem beendet.

Zurück zur FORMULA: Sergio Ghiotto (ITA, Scuderia Palladio) wurde Zweiter, Luca Martucci (ITA, MM International) Dritter. Bemerkenswert: Mit Bracalente, Ghiotto und Martucci standen gleich drei Italiener am Podium.

Siegerehrung mit den Musik-Stars Robby Musenbichler und Willi Langer

Marco Ghiotto (ITA, Scuderia Palladio) wurde noch Vierter, und das obwohl Marco am Start in eine Kollision mit Florian Schnitzenbaumer (DEU, Top Speed) verwickelt war. Schnitzenbaumer musste noch an der Unfallstelle aufgeben.

Philippe Haezebrouck (FRA, Inter Europol) wurde Klassen-Fünfter und lieferte damit seine Saisonbestleistung. Hinter ihm tobte lange Zeit ein sehenswertes Duell zwischen Salvatore de Plano (ITA, Top Speed) und Gianluca Ripoli (ITA, MM International). De Plano setzte sich im Ersatzwagen durch.

Peter Göllner (SUI, Speed Center) wurde Achter in der FORMULA. Der Schweizer startete aus der vorletzten Reihe und machte vor allem in der Anfangsphase mit cleveren Manövern viele Plätze gut. Thomas Jakoubek (AUT, Top Speed) überholte in der letzten Runde noch Walter Steding (DEU, Inter Europol), der lange in den Top-10 fuhr.

Der fünfte Startplatz blieb leider leer, Andreas Fiedler konnte das Rennen erst gar nicht starten.

Morgen steht das vierte Saisonrennen am Programm, Startzeit ist 15:45 Uhr. Zuvor gibt es um 10 Uhr noch ein zehnminütiges Warm-up.